Neue Westfälische vom 26.11.2003

Faszinierend russisch

Michael Doumas sang auf dem Jungen Konzertpodium

VON MICHAEL BEUGHOLD

Bielefeld. Ein anspruchsvoller Liederabend lockte beim Jungen Konzertpodium in der Kunsthalle. Der Bassist Michael Doumas sang russische und deutsche Romantik und faszinierte zumal mit ersterer das Publikum.

Sein hierorts nun schon „anderthalbter" Liederabend (den ersten hatte er sich mit der Soprankollegin Tanya Aspelmeier geteilt) war noch vom verstorbenen Wolfgang Drees angestoßen worden. Dem kritisch-liebevollen Übervater und Mentor so vieler Talente der Region hatte dafür ein rein russisches Programm vorgeschwebt, und er wusste natürlich, warum.

Denn das Singen ist wie das Stimmmaterial des in Bielefeld geborenen Mittdreißigers tatsächlich ein genuin russisches: ein Singagieren mit einem Timbre-Schuss körniger „Schwärze", ganz im Sinne des legendären Fedor Schaljapin und seiner Devise, zu „singen, als ob man spräche". Beim Auftakt mit einem Brahms-Strauß und beim Richard-Strauss-Gebinde wurde der (über-kritische?) Hörer damit nicht ganz glücklich. Ja, die Ballade „Verrat" kam prächtig gestaltet über.

Doch Brahms' träneninnige „Mainacht" oder das Epitaph „Auf dem Kirchhof` und Strauss' wunderbar edelkitschtiefes „Allerseelen" und „Morgen" brauchen mehr kantilenes Ebenmaß, Schattierungen aus der Linie und Registerverblendung, wo flache Piano- und nachdrückende Forte-Töne die Anbindung der Höhe an die so schön gefärbte Tiefe trübten. Mit kunstsinniger Nachempfindung wusste der Sänger derlei freilich zu überspielen.

Umso faszinierender die Darbietung von Modest Mussorgskis Zyklus der „Lieder und Tänze des Todes". Die Stimme scheint in russischer Zunge wie verwandelt, distinkt, ausgeglichen, überlegen beherrscht von unten bis oben, und geht mit Phonation, Gesangsmimik und Gestik bis zum Augenspiel eine vollkommene Einheit ein.

Da steht er am Klavier, der Tod im Frack, und mimt nacheinander den Eiapopeia-Sänger, den umgarnenden Liebhaber, den triumphierenden Kriegsherrn beim Anblick seiner Ausbeute: authentisch, dinglich, dramatisch versammelt, ein Singen fürs „Auge des Ohrs".

Unter den vier Tschaikowski-Romanzen knüpfte die „Serenade des Don Juan" nahtlos daran an, aber hier nun ließ Michael Doumas quasi „auf Flügeln des Gesangs" auch gekonnte Linienführung, Valeurs und Dynamikwerte bis hin zum höhenresonant verklingenden „ich liebe" hören. Den Rachmaninoff-Ausklang krönte Puschkins „Singe nie mehr, meine Schöne" in tief erfühlter schmerzlicher Schönheit. Rita Kaufmann „begleitete" nicht nur musikalisch kongenial, sondern gestaltete ihren Part intensiv und klangbewusst wie einen eigenen Klavierabend.