Die Presse vom 21.09.2006

Osmin ist ein böser Österreicher

Reizvoll: "Saray", eine türkische Bearbeitung von Mozarts "Entführung", im Schauspielhaus.

VON ANNE-CATHERINE SIMON

Reizvoll: "Saray", eine türkische Bearbeitung von Mozarts "Entführung", im Schauspielhaus. Osmin ist ein Lackaffe, Bassa Selim ein Macho mit Todesangst, Belmonte ein Schlafzimmer-Held aus dem Morgenland. Die Türken sind hier Europäer, die Europäer Türken, alle haben neue Namen: Oskar, Felix, Süleyman. Blondchen wird zum bauchtanzenden "Schwarzchen" Esmercik, sie weigert sich wie Constanze alias Feraye, als billige türkische Lustpuppe herzuhalten. Am Ende triumphiert niemand - nur einer, der nicht auf der Bühne steht: Mozart.

Zumindest eine Frage hat "Saray. Mozart alla turca" beantwortet: Wie würde Mozart klingen, hätte er in Istanbul gelebt? Wie Mozart, tönt es im Schauspielhaus, wo Instrumente wie Kemençe, Kamun und Öd einträchtig mit Klarinette und, weniger einträchtig, einem hineindröhnenden Klavier die "Entführung aus dem Serail" in Sparversion musizieren.

Sehr anmutig klingt das, aber viel weniger ungewohnt als erwartet. Beides verdankt sich dem Gespür des türkischen Komponisten Serdar Yalçin, den Musikern und Mozart: Er bleibt er selbst nicht nur in den selbst komponierten Janitscharen-Klängen. Nicht einmal die blecherne Akustik des Schauspielhauses vermag ihn zu schwächen. Heroisch die Sänger, die hier auftreten, allen voran Serap Gögüs als Constanze-Feraye, die bei der Premiere mit kraftvollem Sopran alle räumlichen Widrigkeiten zersang.

Reizvolles steckt in diesem Projekt, das Klischees durch Umkehrung aufbrechen will. Da hat nicht mehr der Türke Osmin, sondern der Österreicher Oskar den dumpfen musikalischen Part, während Süleyman und Feraye sich in erhabene Klanghöhen schwingen. Mozarts Musik ist auch der kraftvollste Beweis für das, was an diesem Abend demonstriert werden sollte: Vieles verbindet uns Türken und Österreicher, auch wenn wir ständig in Schubladen gesteckt werden.

Verbindendes vermisst man eher auf der Baustelle des Konzept-Künstlers Ibrahim Quraishi, die mit Metaphern und Politiker-Zitaten zum Weiterdenken einlädt, allerdings die Schauspieler ziemlich alleine lässt. Wieder führt das Schauspielhaus Entferntestes zusammen - und riskiert: Zu weit Entferntes bringt nicht Begegnung, sondern den Clash.